Janines Tagestalk: Journalismus 2.0 am Beispiel Freitag
Janines TT: Social Media meets Newspaper – Beispiel ‚Der Freitag‘
Die angesehene Zeitung Freitag hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Gegründet wurde die Zeitung 1990 im Geiste der deutschen Wiedervereinigung. Als Brücke zwischen Ost und West gingen in ihr sowohl west- als auch ostdeutsche Zeitungen auf. Die ersten Herausgeber waren unter anderem Günter Gaus und Wolfgang Ullmann – Persönlichkeiten, die auf beiden Seiten der Mauer Lebenserfahrung gesammelt hatten. 2004 zollte Heribert Prantl von der Süddeutschen der Zeitung seinen Respekt, indem er sie als „gescheiteste deutsche Wochezeitung“ bezeichnete. Doch die Zeitung, die bis dato schon einige finanziell turbulente Zeiten hinter sich hatte, erlebte in den Jahren 2008 und 2009 so etwas wie einen Neuanfang. 2008 kaufte der Journalist und Verleger Jakob Augstein die Zeitung und unterzog sie im darauffolgenden Jahr einer inhaltlichen, aber auch optischen Neugestaltung. So wurde die Belegschaft durch neue Journalisten, die vormals zum Beispiel bei der taz beschäftigt waren, erweitert.
Eine Zeitung als soziales Netzwerk
Eine sichtbare Veränderung ereignete sich auch mit Hinblick auf den Netzauftritt der Zeitung. Man wollte sichtlich über das Maß an Leserbeteiligung hinausgehen, dass bei den anderen Zeitungen üblich war. Mittlerweile hat sich der Online-Auftritt der kleinen Zeitung fast schon zu einem sozialen Netzwerk gewandelt. Während Leser auf faz.de oder sz.de sich nur über die Kommentarfunktion äußern können, haben die Mitglieder der Community auf freitag.de zu Hause am Notebook die Möglichkeit, ebenfalls Artikel zu verfassen. Diese bewegen sich in Form und Inhalt zumeist irgendwo zwischen Zeitungsartikeln und Blogeinträgen und können auf der rechtsliegenden Leiste der Website neben den Artikeln aus der Redaktion als meistkommentierte Beiträge angezeigt werden. Das ist der entscheidende Unterschied zu den Zeitungen, die den Onlineauftritt lediglich als ein Anhängsel zu eigentlichen Presseerzeugnis sehen. Von daher kann man davon sprechen, dass es sich bei freitag.de um mehr als das übliche 2.0 in diesem Bereich handelt. Ein weiteres Markenzeichen, dass durchaus zum Vorbild für andere Zeitungen werden sollte ist, dass die Redakteuer viel selbstverständlicher mit den Lesern kommunizieren und diesen das Gefühl geben, dass ihre Kommentarbeiträge ernst genommen werden.
Social Network meets Newspaper
Im Jahr 2010 erhielt der Freitag zahlreiche Preise, unter anderem auch für sein Design. Mittlerweile hat sich eine lebhafte Community herausgebildet, auch wenn es natürlich auch Kritik an dem neuen Konzept gibt. Einige ältere Leser und Abonnenten, die das Blatt seit seiner Gründung begleitet hatten, konnten nicht auf den neuen Weg des Verlegers Augstein mitgenommen werden. Dies war jedoch absehbar. Problematisch sind vielmehr einige redaktionelle Entscheidungen, die vorgenommen wurden. So gibt es etwa eine Rubrik mit dem Namen „Koch und Gärtner“. Ein bisschen ratlos fragt sich der Lesen, warum denn in einer ansonsten sehr politischen Zeitung plötzlich ernsthaft über Garten-Angelegenheiten informiert wird. Auch einige andere Fragen haben ehemalige Bewunderer der Zeitung verprellt. Zeitweise waren die Verkaufszahlen so schlecht, dass der Herausgeber Augstein darauf verzichtete, sie der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) zu melden.
Ist das Projekt „Social Network-meets-Newspaper“ also gescheitert? Grundsätzlich handelt es sich um ein fortschrittliches Konzept, das einzig beim Freitag nicht profitabel umgesetzt werden konnte. Die Idee an sich hat aber durchaus Potential.
XOXO
Janine